Wie geht es Ihnen damit?
Drei Nachrichten in wenig zeitlichem Abstand.
Drei Mädchen aus dem Fenster gestürzt innerhalb einiger Tage, zweijährig, vierjährig, siebenjährig, im Koma und tot.
Diese Nachrichten ausschließlich im Zusammenhang mit fehlender elterlicher Sorgepflicht zu belassen, heißt sich über den Mangel des und im großen Anderen hinwegzusetzen.
Der heutige große Andere, der Platz der Autorität, fordert in Imperativen, die von oben nur so herabfallen, sich zu isolieren, sich Berührungen mit dem Fremden, dem Virus und dem Bekanntem, hinter Masken, dem Mitmenschen zu entziehen und sich einzusperren.
Je nach Nation, unterschiedlichem Umgangs mit seiner Geschichte, Autokratien oder populistisch autoritär gewordenen, befolgt das Menschensubjekt den Imperativ mehr oder weniger.
Kinder sind da anders. Sie entziehen sich und fallen angesichts der aufgehobenen Normalität just aus genau dem Fenster, das sich zu dem vor nicht langer Zeit ballbespielten Platz auftut, und sterben fast oder ganz daran.
Welch Zynismus diese Ereignisse ausschließlich in die Sorgepflicht der Eltern einzuschreiben.
Drei Ereignisse, drei Kinder und die Macht der Imperative
Die persönlichen Phantasmen des Menschen, rund um die Leerstellen, den Mangel des großen Anderen zu erkennen, ist die Aufgabe der Psychoanalyse. Vom Extrem der Verleugnung des Unerträglichen bis zur ängstlichen sinn- und gedankenlosen Befolgung.
Es gibt eine wachsende Zahl von sich beweisenden Bildern, die die von Covid-19 übererregte Welt abbilden.
Am 15. März war den Österreichern der zwischenmenschliche Kontakt drastisch genommen.
An diesem Sonntag hat Osterreich Covid-19 als Signifikant getroffen.
Es wurde klar, dass es nicht nur der Reizzuwachs durch die Verbreitung des Virus ist, sondern die im Volk angekommenen imperativen Signifikanten der österreichischen Regierung. Es wurde ein soziales Band mit dem Namen „Team Osterreich“ beschworen.
Die Tragik der Fensterstürze der Mädchen erinnern dabei an eine passage à l‘acte bei Lacan, das ist kein acting out,
das ist eine tragische Begegnung mit einem Realen nach dem Durchgang durch den Fensterrahmen der symbolischen Ordnung und dadurch jenseits.
Das Reale hat sich auf tragische Weise seinen Platz geschaffen.
Alle politischen Parteien beweisen hier ein Glaubensbekenntnis zum Szientismus in Form von Virologie, Epidemiologie und Mathematik. Das ist der heutige große Andere. Es läuft ganz gut. Bisher. Das Unbewusste und Irrationale ist jedoch mit neuen Imperativen nicht auf Dauer genügend zu bewältigen.
Sprechen wir nun weiterhin von einer Neuen Normalität oder von der erschütternden Wahrheit aus dem Zusammenhang der Dialektik gerissenen Abfolge an Ereignissen?
Verweise:
Martin Arnold: Passage Passage à l’acte (1993)
https://www.youtube.com/watch?v=UCnph6CIz3A
https://www.falter.at/zeitung/20200428/post-an-den-falter-18-20